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27. Juni 2025, 10:37 :: Erfolgsgeschichten
Autor: Linnéa Körting
Für 99 Euro eine Ziege spenden und damit einem Mädchen in Ruanda den ersten Schritt in ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen? Genau das macht intombi e.V. möglich. Seit 15 Jahren engagiert sich das Social Startup für die Förderung von Mädchen und jungen Frauen – in Südafrika, Ruanda, Deutschland und bald auch in der Ukraine. Hinter dem Herzensprojekt steht Alexandra Potratz, die mit ihrer Arbeit beim diesjährigen Macherinnen Award unter die Top 3 der Kategorie Social Impact gewählt wurde.
Bis vor 5 Jahren hatte Alexandra selbst ein Büro bei uns im STARTPLATZ – heute leitet sie mit intombi ein erfolgreiches Social Startup, das Mädchen und jungen Frauen weltweit neue Perspektiven eröffnet. Im Interview spricht sie über die Mission von intombi, das „Girls for Girls“ Online-Magazin, Möglichkeiten zur Mitgestaltung, die Herausforderungen als Gründerin und darüber, was andere Social Startups daraus lernen können.
STARTPLATZ: Erzähl uns gerne ein bisschen mehr über intombi e.V. – wer seid ihr und was ist eure Mission?
Alexandra Potratz: Der Name „intombi“ stammt aus einer südafrikanischen Sprache und bedeutet „Mädchen“ – seit 15 Jahren fördern wir Mädchen und junge Frauen. Alles begann in Südafrika, wo ich während eines Praktikums in einem Mädchenheim arbeitete. Dieses Heim nimmt Mädchen auf, die kein Zuhause mehr haben und auf der Straße leben. Parallel dazu hatte ich in Deutschland eine Mädchengruppe in einem Jugendzentrum. Trotz der unterschiedlichen Lebensumstände, die die Mädchen in Südafrika und Deutschland hatten, bemerkte ich viele ähnliche Themen und Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert waren. Diese Parallelen machten mir deutlich, wie wertvoll ein Austausch zwischen den Mädchen und die Förderung über Grenzen hinweg sein könnte.
So entstand vor 15 Jahren die Idee, intombi zu gründen. Zunächst haben wir als Verein mit Freunden begonnen und eine Vielzahl von Projekten ins Leben gerufen, die vor allem in Südafrika ihren Anfang nahmen. Wir unterstützten das Mädchenheim mit alltäglichen Dingen, aber auch mit Aktivitäten, die das Selbstbewusstsein der Mädchen stärkten – wie Ausflüge in Museen oder Workshops, die ihnen eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichten.
Ein paar Jahre später erweiterten wir unsere Arbeit auf Ruanda. Dort bieten wir Mädchen Ziegenstipendien an – ein Projekt, das sich auf die Förderung von Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein konzentriert. Mädchen erhalten eine Ziege und lernen in Workshops, wie sie diese Ziegen pflegen und vermehren können, um langfristig kleine Ziegenherden aufzubauen und sich selbst wirtschaftlich zu unterstützen. Bereits über 700 Stipendien wurden in Ruanda vergeben.
Aber auch in Deutschland fördern wir Mädchen durch Workshops an Schulen, in denen es vor allem um Berufsorientierung, Selbstbewusstsein und die Ermutigung geht, den eigenen Träumen zu folgen und eben auch da selbstständig und unabhängig zu entscheiden.
Aktuell arbeiten wir auch daran, eine Mädchengruppe in der Ukraine zu unterstützen. Unsere Projekte laufen überwiegend durch ehrenamtliche Arbeit, wobei auch Praktikant:innen und Volunteers regelmäßig vor Ort in den jeweiligen Ländern unterstützen. Besonders in Südafrika und Ruanda haben wir Volunteers, die unsere Arbeit direkt vor Ort erleben und mitgestalten. Dabei legen wir viel Wert auf Augenhöhe und gegenseitigen Austausch, sowohl zwischen den Projektpartnern als auch zwischen den Volunteers und den Mädchen.
STARTPLATZ: Was würdest du sagen, hat dich dazu bewegt, intombi zu gründen und diese Projekte ins Leben zu rufen? War es vor allem das Praktikum damals, oder gab es noch andere Beweggründe?
Alexandra: Was mich dazu bewegt hat, intombi zu gründen, war vor allem der Wunsch, den Mädchen Wertschätzung mit zu geben und ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind – sowohl in Südafrika als auch in Deutschland. Als ich vor 15 Jahren in Südafrika war, war ich selbst nicht viel älter als die Mädchen, mit denen ich dort gearbeitet habe. Ich konnte ihre Herausforderungen und Wünsche also sehr gut nachvollziehen. Bei intombi geht es darum, Mädchen Chancen zu ermöglichen und ihnen zu zeigen, dass sie alles erreichen können, was sie sich für ihre Zukunft wünschen.
Am Anfang war ich nicht sofort begeistert von der Idee, einen Verein zu gründen. Die Vereinsform war für mich irgendwie mit dem Klischee von bürokratischer Vereinsmeierei verbunden, was mich zunächst etwas abgeschreckt hat. Aber später stellte sich heraus, dass die Gründung eines Vereins tatsächlich eine sehr gute Entscheidung war. Ein Verein lässt sich kostengünstig und schnell aufbauen, und es ist ein Format, das vielen Menschen vertraut ist. Dadurch haben sich viele sehr selbstverständlich bereit erklärt mitzumachen, und das hat dazu geführt, dass intombi schnell wachsen konnte.
STARTPLATZ: Inwiefern sind Mädchen in Südafrika und Ruanda noch benachteiligt, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zur Schule? Liegt der Fokus von intombi e.V. deshalb auf Mädchen?
Alexandra: Obwohl Ruanda in Sachen Gleichstellung im so mancher Hinsicht sehr fortschrittlich ist, leben Mädchen besonders im ländlichen Raum häufig in Abhängigkeiten und können nicht frei über ihre Zukunft entscheiden. In Südafrika ist besonders gravierend, dass sexueller Missbrauch ein großes Problem ist, von dem sehr viele Mädchen betroffen sind. Der Fokus auf Mädchen kommt also durch die akuten Herausforderungen, denen sie in den verschiedenen Ländern gegenüberstehen.
STARTPLATZ: Ich finde es toll, wie euer „Girls for Girls“ Magazin den Austausch zwischen Mädchen in Deutschland, Südafrika und Ruanda fördert. So können sie ihre Erfahrungen teilen und ein Bewusstsein für die Lebensrealitäten der anderen entwickeln – sowohl in Deutschland als auch andersherum.
Alexandra: Ja genau, im Online-Magazin schreiben Mädchen aus verschiedenen Ländern über ihre Lebensrealitäten, Herausforderungen und Zukunftsträume. Das fördert nicht nur den interkulturellen Austausch, sondern auch die Solidarität unter den Mädchen. Um diesen Austausch zu ermöglichen, organisieren wir regelmäßig Blogger-Sessions. In diesen Workshops setzen sich unsere Volunteers – egal ob in Deutschland, Südafrika oder Ruanda – gemeinsam mit den Mädchen zusammen, um Artikel, die von intombi-girls geschrieben wurden, zu lesen und über die Themen zu sprechen. Dabei kommen wir mit den teilnehmenden Mädchen ins Gespräch und schauen, was sie gerade bei ihrer Zukunftsplanung beschäftigt. Im Anschluss verfassen die Mädchen selbst Artikel, was eine tolle Möglichkeit ist, sich zum einen selbst zu reflektieren und zum anderen mit anderen Mädchen die eigenen Erfahrungen zu teilen und in den Austausch zu gehen.
Dabei geht es nicht nur darum, die Themen zu diskutieren, sondern auch darum, wie man einen Artikel schreibt – also das Handwerkszeug. Wir sprechen auch darüber, wie man die Inhalte der Artikel für Social Media aufbereitet und über verschiedene Plattformen verbreitet. So haben wir mittlerweile über 400 ehrenamtliche Autorinnen, die für uns schreiben. Gleichzeitig sind viele dieser Mädchen und jungen Frauen auch Teil unserer Projekte vor Ort.
STARTPLATZ: Was hat euch damals dazu bewegt, ein Büro im STARTPLATZ anzumieten? War es vor allem die Lage, oder gab es noch andere Gründe?
Alexandra: Für uns war es vor allem eine sehr gute Entscheidung, im STARTPLATZ zu sein, weil wir als soziales Startup von der Community und dem Austausch mit anderen Startups profitieren konnten. Es war eine wertvolle Gelegenheit, von anderen zu lernen, besonders in Bereichen wie Online-Marketing und Skalierung. Das Umfeld hat uns geholfen, intombi weiter aufzubauen.
Ein weiterer Vorteil war die Unterstützung durch Pirate Skills, die am STARTPLATZ ihre Meetups stattfinden lassen. Sie haben uns seit Beginn an begleitet, und auch jetzt nehmen wir regelmäßig an ihren Workshops teil. Langfristigen Beziehungen wie diese sind auch heute noch sehr wertvoll für uns.
STARTPLATZ: Was sind eure nächsten Meilensteine? Gibt es ein Projekt, das ihr bald umsetzen wollt? Vielleicht auch in einem anderen Land?
Alexandra: Ja, wir möchten als Nächstes Mädchen in der Ukraine unterstützen. Wir sind bereits in Gesprächen und planen eine Kooperation mit einer lokalen Organisation einzugehen. Unser Ziel ist es, den Mädchen in der Ukraine in Zeiten von Krieg beizustehen.
STARTPLATZ: Wie können Interessierte bei euch mitmachen? Gibt es Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren, vielleicht im Blog, oder gibt es andere Möglichkeiten, euch zu unterstützen, wie zum Beispiel durch Spenden?
Alexandra: Auf jeden Fall! Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie man sich bei uns einbringen kann. Eine Möglichkeit ist, sich als ehrenamtliche Autorin zu engagieren. Mit einem Thema, was einem am Herzen liegt und über das man gerne schreiben möchte, kann man sich einfach bei uns melden, zum Beispiel über Instagram @intombiforgirls.
Eine andere Möglichkeit ist, für unser Ziegenprojekt zu spenden. Man kann zum Beispiel eine Ziegen-Stipendium für 99 Euro vergeben, wodurch ein Mädchen in Ruanda Unterstützung für einen selbstbestimmten Start in die Zukunft erhält.
Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, Teil unseres intombi Freundeskreises, dem „Girls Supporting Club“, zu werden. So kann man unsere Arbeit für Mädchen unterstützten und informiert bleiben (https://intombi.de/intombi-scholarship/).
STARTPLATZ: Welchen Tipp würdest du anderen Gründer:innen geben, die ein soziales Projekt oder ein gemeinnütziges Startup gründen möchten?
Alexandra: Ich denke, es ist sehr wichtig, sich zum einen mit anderen Startups zu vernetzen – was der STARTPLATZ ja super ermöglicht – und zum anderen auch im sozialen Bereich nach Netzwerken und Expertise zu suchen. Es gibt oft bereits bestehende Strukturen und Fachwissen, von denen man profitieren kann. Der Kontakt zu anderen im sozialen Sektor ist entscheidend, da auch finanzielle Förderungen daraus entstehen können.
Die Finanzierung eines sozialen Startups, vor allem eines gemeinnützigen, ist eine ganz andere Herausforderung als bei einer kommerziellen Firma. Es gibt aber durchaus Wege und Möglichkeiten, ein sozial orientiertes Startup erfolgreich zu führen und wachsen zu lassen. Daher hoffe ich, dass noch mehr potentielle Gründer und Gründerinnen diesen Weg in Betracht ziehen, um mit ihrem Startup Gutes zu bewirken.