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Venture Capital Finanzierung: Die Interessen der Beteiligten

In der Reihe zum Thema Venture Capital geben wir einen Überblick über die Finanzierung von Unternehmen mit Wagniskapital. Die Beiträge richten sich daher in erster Linie an Gründer, die sich frühzeitig mit der Unternehmensfinanzierung durch Venture Capital auseinandersetzen wollen, und solche, die eine konkrete Finanzierung für ein bereits funktionierendes Geschäftsmodell suchen.

Während wir im ersten Teil dieser Reihe den Begriff Venture Capital und den Beteiligungsprozess im Überblick erläutert haben, gehen wir in diesem zweiten Teil auf das für die Verhandlungen des Venture Capital Vertragswerks wichtige Verständnis der Beteiligten und ihrer Interessen ein. 

Informationsasymmetrien und Principal-Agent-Konflikt

Die Gründer haben regelmäßig einen erheblichen Wissensvorsprung vor den Investoren. Dieser Wissensvorsprung resultiert daraus, dass die Gründer das Unternehmen und die relevanten Technologien sowie die relevanten Unternehmensprozesse genauestens kennen. Die Investoren haben hingegen auch nach Durchführung einer Due Diligence Prüfung (vgl. hierzu Teil 3 dieser Venture Capital Reihe) letztlich weder eine vergleichbar genaue Kenntnis des Unternehmens noch der Managementfähigkeiten der Gründer. Dieses Auseinanderfallen der Informationsstände wird als Informationsasymmetrie bezeichnet.

Neben diesen die Investoren benachteiligenden Informations-asymmetrien besteht der für die Investoren gefährliche Principal-Agent-Konflikt, wonach die Interessen der Gründer und Geschäftsführer (teilweise) abweichen von den Interessen der (übrigen) Gesellschafter und Investoren. So kann zunächst nicht ausgeschlossen werden, dass die Gründer und Geschäftsführer das vom Investor zur Verfügung gestellte Kapital zu sachfremden Zwecken verwenden oder ihre entscheidende Bedeutung für den Unternehmenserfolg – und damit die Abhängigkeit des Investors von dem Engagement der Gründer – zu opportunistischem Verhalten nutzen.

Das Venture Capital Vertragswerk umfasst eine Vielzahl von Regelungen, welche die Informationsasymmetrien und den Principal-Agent-Konflikt auflösen sollen. Für das Verständnis des Venture Capital Vertragswerks, auf das in den folgenden Beiträgen dieser Venture Capital Reihe näher eingegangen werden soll, ist es daher unerlässlich, sich ein Verständnis der (divergierenden) Interessen der Beteiligten anzueignen.

Die Gründer

Den Gründern geht es in erster Linie darum, dass das Unternehmen die für die Geschäftsentwicklung erforderliche (langfristige) Finanzierung erhält und dem Unternehmen dieses vom Investor zur Verfügung gestellte Kapital nicht wieder (zeitnah) über Ausschüttungen / Dividenden oder Zins- und Tilgungsleistungen entzogen wird.

Die Gründer streben naturgemäß nach einem Einstieg des Investors auf Basis einer möglichst hohen Unternehmensbewertung vor dem Einstieg des Investors (sog. pre-money Bewertung) und damit einer möglichst geringen Beteiligung des Investors am Eigenkapital des Unternehmens.

Darüber hinaus wollen Gründer regelmäßig die Kontrolle über das Unternehmen und maximale Einflussnahme auf Management-Entscheidungen behalten; d.h. die Gründer streben nach maximaler Unabhängigkeit.

Gleichzeitig sind Gründer zumeist auch an dem Netzwerk und dem einschlägigen Know-how des Investors und damit einer engen und vertrauensvollen Beziehung mit dem Investor interessiert.

Der Einstieg eines strategischen Investors ist für Gründer dann besonders interessant, wenn sie sich von dem Investor zusätzliche operative und strategische Unterstützung und einen potentiellen Exit-Partner versprechen.

Finanzinvestoren

Finanzinvestoren investieren in der Regel für ihre eigenen Kapitalanleger über hierfür zeitlich befristet gegründete Gesellschaften, welche die von den Kapitalanlegern eingesammelten Mittel wieder in junge Unternehmen investieren.

In der Regel sind Finanzinvestoren nicht an laufenden Ausschüttungen / Dividenden oder Zins- und Tilgungsleistungen interessiert, sondern an der Realisierung der Wertsteigerung ihrer Unternehmensbeteiligungen im Verkaufsfall (dem sog. Exit).

Dem Unabhängigkeitsstreben der Gründer steht das Interesse der Investoren entgegen, dass zumindest wichtige Entscheidungen nicht gegen ihren Willen umgesetzt werden können. Dies gilt sowohl auf der operativen Ebene bei Management-Entscheidungen als auch auf Gesellschafterebene bei Gesellschafterbeschlüssen.

Trotz dieser teilweise divergierenden Interessen ist die häufige Befürchtung der Gründer, dass sie durch den Finanzinvestor an der Weiterentwicklung des Unternehmens in ihrem Sinne gehindert werden, zumeist unbegründet. Das Gegenteil ist vielmehr regelmäßig der Fall. Wenn sich ein Finanzinvestor zu einem Investment entscheidet, erfolgt dies gerade auch deswegen, weil er an die Fähigkeiten des Management-Teams glaubt. Der Investor wird dem Management-Team daher zwar weitgehende Reporting-Pflichten auferlegen, um die Performance des Unternehmens und des Management-Teams verfolgen zu können. Zustimmungs- und Vetorechte wird der Investor hingegen in der Regel auf für sein

Investment wesentliche Entscheidungen beschränken (z.B. Zustimmungserfordernis bei Erwerb oder Veräußerung wesentlicher Vermögenswerte, Kapitalerhöhungen, Veräußerung von Beteiligungen, Änderungen des Unternehmensgegenstandes oder der strategischen Ausrichtung etc.).

Während die Gründer an einer möglichst hohen pre-money Bewertung und damit einer geringen Beteiligung des Investors interessiert sind, sind die Investoren im Grundsatz an einer möglichst niedrigen pre-money Bewertung interessiert, weil sie bei einer geringeren Bewertung mehr Anteile für das investierte Kapital bekommen. Gleichwohl ist Investoren aber auch daran gelegen, dass die Beteiligung der Gründer stets so hoch bleibt, dass sie ein ureigenes Interesse daran behalten, den Unternehmenswert und damit den Wert der Beteiligungen der Gründer und des Investors zu steigern. Diese grundsätzlichen Interessen werden von einem generellen Verständnis der Beteiligten überlagert, dass es Sinn macht, eine für beide Seiten akzeptable Bewertung des Unternehmens zu finden, die ggf. durch zusätzliche Ausgleichsmechanismen angepasst wird, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das „gemeinsame“ Verständnis des Unternehmenswertes wesentlich vom „tatsächlichen“ Wert abweicht.

Finanzinvestoren streben grundsätzlich nach einer Rendite von 30% bis 40% p.a. und einem Exit innerhalb von drei bis sieben Jahren.

Strategische Investoren

Viele Unternehmen beleben derzeit das Unternehmertum innerhalb

ihrer Organisation, um neue Produkte und Geschäftsfelder zu entwickeln, Marktentwicklungen zu antizipieren und insbesondere den Herausforderungen des E-Commerce-Wettbewerbs und des Multi-Channel-Vertriebs gerecht zu werden. Dieses sogenannte Corporate Entrepreneurship wird häufig ergänzt durch Corporate Venturing Aktivitäten.

Beim Corporate Venturing beteiligen sich etablierte Unternehmen als strategische Investoren an jungen innovativen Unternehmen und stellen ihnen Eigenkapital und Mezzaninekapital (vgl. hierzu auch Teil 1 dieser Venture Capital Reihe) zur Verfügung, um von diesen Unternehmen wertvolle Informationen über neue Technologien, alternative Vertriebswege und innovative Geschäftsmodelle zu erhalten.

Die Interessen dieser strategischen Investoren entsprechen weitgehend auch den Interessen von Finanzinvestoren. Allerdings sind strategische Investoren regelmäßig nicht an einem renditegetriebenen Exit, sondern an einem Zugang zu innovativen Ideen und Geschäftsmodellen und oftmals an einer langfristigen Eingliederung des Start-ups in den Konzernverbund interessiert.

Privatinvestoren und Business Angels

Privatinvestoren stammen häufig aus dem Familien- und Freundeskreis oder sind als Business Angels wiederholt in der frühen Seed-Phase von Unternehmen als Investoren aktiv. Neben altruistischen Interessen verfolgen Privatinvestoren natürlich auch das Ziel eines renditestarken Investments in ein vielversprechendes Start-up. Die Interessen von Privatinvestoren ähneln daher im Grundsatz den Interessen typischer Finanzinvestoren. Da erfahrene Privatinvestoren als Business Angels auch wertvolle nicht-monetäre Beiträge leisten, ist der Einstieg eines Business Angels im Grundsatz zumeist sinnvoll und hilfreich.

Die Beteiligung von Privatinvestoren zeigt auch Finanzinvestoren und strategische Investoren, die oftmals später einsteigen, dass bereits andere erfahrene Investoren an das Management-Team und das Geschäftsmodell glauben. Das kann dem Einstieg zusätzlicher Investoren im Rahmen einer weiteren Finanzierungsrunde erleichtern.

Family Offices

Family Offices, die Investments von Unternehmerfamilien betreuen, sind natürlich in erster Linie regelmäßig auch an einem erfolgreichen Investment interessiert und schauen damit auch auf die mit dem Investment zu erzielende Rendite. Die Interessen von Family Offices ähneln daher grundsätzlich denen der Business Angels und Finanzinvestoren.

Family Offices können sich aber oftmals auch langfristige Beteiligungen vorstellen und unterscheiden sich daher von den typischen Finanzinvestoren durch ihren grundsätzlich weniger Exit-getriebenen Ansatz. Gerade wegen der übereinstimmenden Interessenlage zwischen Gründern und Family Offices, was die Langfristigkeit der Beteiligung und damit auch die Langfristigkeit der Finanzierung betrifft, sind Family Offices oftmals von Gründern präferierte Investoren. Hinzu kommt, dass Family Offices wegen der Nähe zur Unternehmerfamilie die Familienunternehmen kennzeichnenden Werte und Visionen verinnerlicht haben und schon deshalb auf Gegenliebe bei Gründern treffen.

Inkubatoren

Bei Inkubatoren handelt es sich um selbständige oder konzerninterne Gründerzentren, die Unternehmer bei der Existenzgründung unterstützen. Diese Unterstützung kann beispielsweise in Form einer monatlichen Vergütung, in Form von Sachmitteln, wie beispielsweise Arbeitsplatz und Büroausstattung, oder in Form von Dienstleistungen, wie beispielsweise Mentoring und Networking, erfolgen. Gegebenenfalls erfolgt auch (zusätzlich) eine Finanzierung des Start-ups.

Bei Konzerninkubatoren können sich zumeist externe Start-ups ebenso bewerben wie Mitarbeiter des Konzerns, die innovative Geschäftsideen verfolgen.

Die Interessen der Inkubatoren ähneln – je nach Organisation als selbständiger oder Konzerninkubator – den Interessen von Finanzinvestoren, strategischen Investoren oder Privatinvestoren.

Über den Autor

Dr. Patrick Flesner ist Partner von CBH Rechtsanwälte und auf die Begleitung von Venture Capital Transaktionen spezialisiert. Er hat umfangreiche Erfahrung bei der Beratung von Finanzinvestoren, strategischen Investoren, Gründern und Startups. Weitere Information zu Herrn Dr. Flesner finden Sie hier.

 

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